Echte Bücher in der wirklichen Welt?

Vergangene Woche war der Abschlusstermin einer meiner Lehrveranstaltungen. Wissenschaftlich Arbeiten und Präsentieren, an einer kleinen FH (Verzeihung: University of Applied Science – so what). Und in der Feedbackrunde gab es große Aufregung, weil das ja gar nicht ginge, Sekundärzitate zu vermeiden. Die Logik ist bestechend (aus studentischer Sicht): Da hat einer ein ganzes Buch geschrieben, in dem schon alles steht, was man verwenden will. Und da man ja an die Originale nicht rankäme, könne man all die tollen Gedanken nicht verwenden, wenn Sekundärzitate verboten seien. Oder zumindest unbeliebt. Also warum den einen – nennen wir ihn Müller – aus dem anderen Buch, beispielsweise Maier, nicht nehmen dürfen? Geht doch leicht: vgl. Müller 2010, zit. n. Maier 2022, S. xx.
Alles in Butter.

Wir, zwei gestandene Dozierende, haben uns das eine Weile angehört und ich gestehe, ich habe einen Moment gebraucht, um das Problem zu erfassen: Die älteren Bücher waren nicht in der Bibliothek zugänglich!*

Da war ich doch überrascht. Nach zwei Jahren Corona, gefühlt tausend Stunden Lehre online und dazu, wie und wo man online Quellen findet, war nun – kaum dass das Virus angeblich nicht mehr beißt – alles vergessen. Fernleihe, die Option, sich Kapitel als PDF schicken zu lassen, online Recherche und dergleichen mehr – alles weg aus den Köpfen. Nun kann man ja wieder in die Bib, nun muss man auch mit dem Arbeiten, was das steht.

Nun – wie soll ich sagen… Nein.

Ich liebe Bibliotheken und ich bewundere das Wissen von Personen, die dort arbeiten. Ich würde immer empfehlen, zum Einstieg in ein Thema in eine Fachbibliothek zu gehen, denn da gibt es einen Handapparat, der vorsortiert ist und nette Menschen, die einem weiterhelfen. Je nachdem, wie lange sich dieser Blogartikel digital hält, wahrscheinlich irgendwann nur noch nette KI’s, aber das dauert noch.

ABER

Die online Welt und alles, was an anderen Orte ist, kann und darf nicht mehr ignoriert werden. Je besser nun selbst in Deutschland die Möglichkeiten und Vernetzungen sind, Zugänge geboten werden und der Blick über den Tellerrand möglich, desto dringender ist es, das auch weiterhin zu nutzen. Sonst werden all die schönen Datenbanken bald nicht mehr abonniert sein und Sie, die Studierenden, stehen tatsächlich nur noch mit Ihrer Bereichs-Bibliothek da.

Abgesehen davon: Systematisch ist es einfach falsch, sich auf die Zusammenstellung eines einzelnen zum Thema zu verlassen und dem zu glauben, dass er die anderen schon richtig verstanden hat. Das ist nicht der Zweck von Wissenschaft und darin liegt der Grund, warum Sekundärzitate nicht gern gesehen sind: Wer hat’s erfunden? Genau. Den oder die müssen Sie lesen und zitieren, dem oder der gehören Ehre und Anerkennung und nur so stellen Sie sicher, dass Sie auch das schreiben, was der oder die gemeint haben. In der digitalen Welt zu behaupten, eine Quelle sei nicht verfügbar, wird immer strenger von Lehrpersonen geprüft werden – und damit schweift der Blick auf einen fundamentalen Teil Ihrer Bewertung: Wie Sie mit Quellen umgegangen sind. Besser, Sie machen sich da nicht angreifbar.

Ach, übrigens gibt es einen Kompaktkurs zum Zitieren von WeKnow. Nur für den Fall, dass Sie da nochmal etwas wiederholen möchten. Und immer wieder kostenlose Webinare, in denen die Grundlagen auch angerissen werden.

* Tatsächlich gibt es ab und an sehr alte Bücher, die vergriffen und nicht digitalisiert sind. Dann haben Sie keine andere Wahl als das Sekundärzitat. Aber so oft wie Studierende das gerne hätten, kommt es nicht vor.