Krönchen richten, Corönchen hinter sich lassen, weitermachen

Puh, das war eine unerfreuliche Zeit.
Vor zwei Monaten habe ich meinen letzten Blog-Eintrag geschrieben und war voller guter Vorsätze und Vorfreude darauf, alles wieder gut in Gang zu bringen. Und dann – Corona. Die fiese Version, mit 3 Wochen krank sein und danach (bis heute) deutliche Einbußen in der mentalen und körperlichen Leistungsfähigkeit.
Also an der Stelle mal meine Meinung (muss nicht jede*r teilen, aber in der Wissenschaft kann man sich das ja mal durch den Kopf gehen lassen, was andere Menschen so denken): Das ist keine Grippe. Und es lohnt sich sehr, Maßnahmen zu ergreifen, die einen selbst und andere schützen. Ehrlich, wo ist das Problem, mit Maske einkaufen zu gehen? Oder im Bus zu sitzen? 10 Prozent der Infektionen landen im Post- oder Long-Covid, und schon wie ich mich gerade fühle, wünsche ich niemandem.

Viel spannender für einen Blogbeitrag zum wissenschaftlichen Arbeiten ist aber doch die Diskussionskultur mal zu beleuchten. Mit meiner Kollegin Daniela Keller schreibe ich gerade an einem Dummies-Buch, das das Erheben und Auswerten statistischer Daten in Abschlussarbeiten erklärt. Und zuletzt natürlich auch die Ergebnisse diskutiert. Da fiel mir wieder auf, wie klar eigentlich Kommunikationsregeln in der Wissenschaft sind. Wie eindeutig induktive und deduktive Argumentationen definiert sind und dass sogar wertende Argumente nicht „verboten“ sind – wenn, ja wenn sie belegbar sind.

Und hier haben wir, was mich in der wahren Welt, fern vom akademischen Elfenbeinturm immer stärker irritiert: Menschen haben Meinungen („man wird ja wohl noch sagen dürfen“) und Befindlichkeiten („ich fühle mich unwohl mit…“) und sind der Ansicht, das wäre dasselbe wie ein Argument. Ob Karl-Erna also irgendwo auf Telegram gelesen hat, dass alle Masernimpfstoffe mit Mini-Aliens versehen sind, soll nach dieser Logik denselben Stellenwert haben wie die fundierten Erkenntnisse einer Virologin, die sich seit Jahren mit Studien und Forschung befasst. Nur weil es eben auch eine Meinung ist.


Finde den Fehler.

Ein Bauchgefühl, ein Unwohlsein, ein emotionaler Erguss ohne benennbare und belegbare Gründe ist eben in meiner Welt (der wissenschaftsgläubigen, auch wenn ich durchaus auch was für Chakren, Homöopathie und Meridiane übrig habe) kein Argument. Jede*r darf und sollte sein/ihr Unwohlsein äußern können und dürfen und damit gehört werden, aber das ist der Punkt an dem Argumente ansetzen können. Wer danach noch mit „Ihr versteht das sowieso nicht“, „Alles Nazis“ oder „Die da oben“ kommt, hat das Prinzip Auseinandersetzung nicht verstanden. Denn mit solchen Scheinargumenten ist genau das nicht möglich: sich respektvoll miteinander zu befassen und im Zweifel eben auch mit zwei unterschiedlichen Meinungen, aber klüger als vorher auseinanderzugehen.

Moment, wo war noch der Link zur Abschlussarbeit? Genau: In den vergangenen Jahren lese ich zunehmend Diskussionsteile, die nach mehr oder weniger fundierten Erhebungen dann Meinungen in der Diskussion darstellen, die eben nichts mit der eigenen Forschung zu tun haben. Irgendwas wird irgendwie am Ende behauptet, vielleicht weil es in eine aktuelle Strömung passt, aber aus den Daten lassen sich die Schlüsse nicht erklären. In der Diskussion darf auch schon mal gemutmaßt werden, was das nun bedeutet und wohin es führen könnte, aber für Sie, die Sie bis hierher gelesen haben: Bleiben Sie bei dem, was Sie solide und auf der Basis der Theorie und Forschung und nachvollziehbarer Überlegungen schließen können. Alles andere bringt die Kommunikations-Unkultur, die um sich greift, noch näher an Hochschulen, als sie ohnehin dank weniger lauter Stimmen, die lieber canceln als diskutieren, schon ist.